Aus den Leitsätzen des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern: „Die Einräumung des Rechtes für eine Partei eines Arbeitsvertrags mit einer bestimmten Ankündigungsfrist vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden zu können, stellt ein § 12 S. 1 KSchG vergleichbares Sonderkündigungsrecht dar, welches in einem Abwicklungsvertrag eingeräumt werden kann, dessen Ausübung jedoch dem Schriftformerfordernis des § 623 BGB unterfällt.“
LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 09.05.2023, 2 Sa 146/22
Sachverhalt
Im zu entscheidenden Fall war ein Küchenleiter im Juni 2021 gekündigt worden und hatte sich mit seinem Arbeitgeber im Wege eines gerichtlichen Vergleichs auf das Ende des Arbeitsverhältnisses zum 30.11.2021 geeinigt. Bis zur Beendigung war eine Freistellung mit verringertem Gehalt vereinbart worden. Außerdem hatte der Vergleich eine sogenannte „Turboklausel“ enthalten, wonach der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis vorzeitig durch schriftliche Erklärung beenden konnte. In diesem Fall sollte der Arbeitnehmer die entfallenden Gehälter als Abfindung erhalten. Der Anwalt des betroffenen Küchenleiters hatte die vorzeitige Beendigung seines Mandanten dem Anwalt des Arbeitgebers mitgeteilt. Dieses Schreiben wurde digital durch das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) versendet. Der Arbeitgeber hatte die Abfindung nicht bezahlt.
Entscheidung
Das Arbeitsgericht Stralsund hat den Arbeitgeber mit Urteil vom 20.09.2022, 13 Ca 99/22, zur Zahlung der Abfindung verurteilt und die Anwendung des § 623 BGB verneint. Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern hat jedoch die Ansicht vertreten, dass § 623 BGB Anwendung finde und die vorzeitige Beendigung als Kündigung nach § 623 BGB schriftlich erklärt werden müsse. Es hat die Klage abgewiesen. Die vorzeitige Beendigung stelle ein dem § 12 S. 1 KSchG vergleichbares Sonderkündigungsrecht dar. § 623 BGB sei auf jedes Arbeitsverhältnis anwendbar und nicht abdingbar. Für Kündigungen sei der Ausschluss der elektronischen Form normiert (§ 623 Halbsatz 2 BGB) und somit konstitutiv. Soll die gesetzlich vorgeschriebene Form durch die elektronische ersetzt werden, muss der Aussteller der Erklärung dieser seinen Namen hinzufügen und das elektronische Dokument mit seiner qualifizierten elektronischen Signatur versehen (§ 126a BGB). Diese Ersetzung ist jedoch nur möglich, wenn die elektronische Form nicht durch Gesetz ausgeschlossen ist, was im Rahmen der Kündigung nicht der Fall sei. Dabei führte das LAG Mecklenburg-Vorpommern auf, dass die Nutzung des elektronischen Anwaltspostfachs der Vereinfachung und Beschleunigung gerichtlicher Verfahren dienen soll und somit eine andere Zielrichtung als die Formvorschriften des BGB verfolge. Bei Ausspruch von Kündigungen bedürfe es keiner Übertragung des für das Prozessrecht geltenden Beschleunigungsgrundsatzes.