Das Wichtigste in Kürze:
- Fristversäumnis bei Kündigungsschutzklage ist heilbar: Auch wenn eine schwangere Arbeitnehmerin die 3-Wochen-Frist für die Kündigungsschutzklage versäumt, kann das Arbeitsgericht die Klage nachträglich zulassen – vorausgesetzt, sie trifft kein grobes Verschulden am Fristversäumnis.
- Wichtige Voraussetzung: Guter Glaube an Unwirksamkeit der Kündigung reicht nicht aus: Die Klägerin muss konkret darlegen, warum sie die Frist nicht einhalten konnte; allein der Glaube, die Kündigung sei offensichtlich unwirksam, genügt rechtlich nicht.
- Arbeitsgericht Berlin betont Sorgfaltspflichten: Das Gericht entschied, dass selbst im Falle einer Schwangerschaft eine informierte und rechtzeitige Reaktion auf eine Kündigung erforderlich ist – pauschales Vertrauen in den Kündigungsschutz ersetzt keine rechtlichen Schritte.
Kündigungsschutzklage in der Schwangerschaft: Was tun bei Fristversäumnis?
Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass eine Arbeitnehmerin, die ohne Verschulden erst nach Ablauf der dreiwöchigen Klagefrist Kenntnis von einer Schwangerschaft erlangt, die im Zeitpunkt des Zugangs bestanden hat, erfolgreich einen Antrag auf nachträgliche Zulassung ihrer Klage stellen durfte.
Die Klägerin hatte am 14.05.2022 eine ordentliche Kündigung erhalten. Anlässlich eines Schwangerschaftstests am 29.05.2022 erfuhr die Klägerin von ihrer Schwangerschaft. Trotz entsprechender Bemühungen konnte sie erst für den 17.06.2022 einen Arzttermin erhalten. Am 13.06.2022 hatte sie eine Kündigungsschutzklage eingereicht und gleichzeitig deren nachträgliche Zulassung beantragt. Am 21.06.2022 reichte sie bei Gericht einen ärztlichen Nachweis über die Schwangerschaft ein, in dem eine bei am 17.06.2022 festgestellte Schwangerschaft bestätigt wurde; darin hieß es, dass sich die Klägerin derzeit in der „ca. 7 + 1 Schwangerschaftswoche“ befinde. Als voraussichtlichen Geburtstermin wurde im Mutterpass der 02.02.2023 angegeben, so dass die Schwangerschaft am 28.04.2022 begonnen haben müsse.
Die Klägerin hatte sowohl vor dem Arbeitsgericht als auch vor dem Landesarbeitsgericht mit ihrer Auffassung Erfolg, die Klage sei nachträglich zuzulassen.
Auf die von dem beklagten Arbeitgeber eingelegte Revision hin hat das Bundesarbeitsgericht die Vorentscheidungen bestätigt und die nachträgliche Zulassung der Klage bejaht. Die Klägerin habe mit ihrer Klageerhebung am 13.06.2022 zwar die bereits am 07.06.2022 endende Klagefrist des § 4 Satz 1 Kündigungsschutzgesetz nicht gewahrt, die an sich mit Zugang der Kündigung bei der Klägerin zu laufen begonnen habe. Da sie aber zu diesem Zeitpunkt keine sichere Kenntnis von ihrer Schwangerschaft gehabt habe, sei die verspätet erhobene Klage gemäß § 5 Absatz 1 Satz 2 KSchG nachträglich zuzulassen. Maßgeblich sei nicht der positive Schwangerschaftstest, sondern die frühestmögliche gynäkologische Untersuchung, durch welche die Klägerin erst am 17.06.2022 positive Kenntnis von der bestehenden Schwangerschaft erlangt habe.
Fazit zur nachträglichen Zulassung der Kündigungsschutzklage einer Schwangeren
Auch schwangere Arbeitnehmerinnen müssen bei Kündigungen wachsam bleiben: Der besondere Kündigungsschutz greift nicht automatisch, wenn Fristen versäumt werden. Nur wer glaubhaft und ohne eigenes Verschulden zu spät klagt, kann auf eine nachträgliche Zulassung hoffen. Eine rechtzeitige rechtliche Beratung ist daher entscheidend.
Quelle: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 03.04.2025, Az. 2 AZR 156/24