Der Arbeitgeber kann sein Hausrecht gegenüber Betriebsratsmitgliedern nur sehr eingeschränkt ausüben.
LAG Hessen, Beschluss vom 28. August 2023 – 16 TaBVGa 97/23
Aufgrund der besonderen Stellung des Betriebsrats gilt das Hausrecht des Arbeitgebers nur sehr eingeschränkt. Will der Arbeitgeber beispielsweise ein Hausverbot gegenüber einzelnen Betriebsratsmitgliedern aussprechen, bedarf dies eines vorherigen Antrags bei Gericht.
Der Fall:
Der Antragsteller ist Betriebsratsvorsitzender und bei einem Catering-Unternehmen für Fluggesellschaften am Flughafen Frankfurt am Main beschäftigt. Sein Arbeitgeber erteilte ihm ein sofortiges Hausverbot mit der Begründung, er habe am Arbeitsplatz Urkunden gefälscht und damit eine Straftat begangen. Der Antragsteller räumte insoweit ein, dass er sich im Vorzimmer der Betriebsleitung eigenmächtig des Eingangsstempels des Unternehmens bedient hatte, um sich über die Verweigerung der Annahme von Unterlagen durch die Personalleitung und den Betriebsleiter hinwegzusetzen. Der Arbeitgeber sprach daraufhin ein Hausverbot gegen den Antragsteller aus und erstattete Strafanzeige. Außerdem beantragte er beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main den Ausschluss des Betriebsratsvorsitzenden aus dem Betriebsrat.
Der Antragsteller wandte sich daraufhin im Eilverfahren gegen das Hausverbot und begehrte ungehinderten Zugang zum Betriebsgelände des Flughafens Frankfurt am Main zur Ausübung seiner Betriebsratstätigkeit. Der Arbeitgeber beantragte seinerseits die einstweilige Untersagung der Ausübung des Betriebsratsamts.
Die Entscheidung:
Das Hessische Landesarbeitsgericht gab dem Antrag des Antragstellers statt und wies den Antrag des Arbeitgebers zurück.
Begründet wurde die Entscheidung mit dem umfassenden Schutz der Betriebsratsmitglieder aus § 78 Satz 1 BetrVG. Danach dürfen Betriebsratsmitglieder bei der Durchführung ihrer Aufgaben nicht gestört oder behindert werden. Ein Hausverbot stellt insoweit als ultima ratio einen der schwerwiegendsten Eingriffe in dieses Recht dar, da es dem Betriebsratsvorsitzenden die Ausübung seiner Betriebsratstätigkeit faktisch unmöglich macht. Vor Erlass eines Hausverbots ist daher zwingend ein Antrag auf einstweilige Untersagung der Ausübung des Betriebsratsamts beim zuständigen Arbeitsgericht zu stellen. Ein Hausverbot kommt dann nur bei besonders schweren Pflichtverletzungen in Betracht. Maßgeblich ist dabei nicht zwingend die strafrechtliche Betrachtung, sondern ob das Vertrauen in den Antragsteller bzw. in seine Tätigkeit als Betriebsratsmitglied nachhaltig und unzumutbar beeinträchtigt ist. Dies wird in der Regel dann anzunehmen sein, wenn dem Arbeitgeber bei Abwarten des rechtskräftigen Abschlusses des Amtsenthebungsverfahrens ein erheblicher Imageschaden oder gar ein materieller Schaden droht. Letztlich hat das Gericht aber betont, dass es immer auf den konkreten Einzelfall ankommt.
Fazit:
Mit seiner Entscheidung hat das Hessische Landesarbeitsgericht erstmals die objektiven Voraussetzungen eines Hausverbots für ein Betriebsratsmitglied festgelegt. Das Erfordernis eines vorherigen Antrags zeigt dabei, welch hohes Schutzgut die Rechtsprechung dem § 78 BetrVG und damit den Betriebsratsmitgliedern beimisst. Bemerkenswert ist auch, dass im vorliegenden Fall ein Hausverbot trotz des erwiesenen Verdachts der Urkundenfälschung nicht ausgereicht hat, um ein sofortiges Hausverbot zu rechtfertigen.
Für Betriebsratsmitglieder, aber auch für alle anderen Arbeitnehmer ist die Entscheidung ein positives Signal, da sie ein klares Zeichen in Richtung Stärkung der Betriebsrats- und Arbeitnehmerrechte setzt.
Für den Arbeitgeber hingegen hat das Antragserfordernis den Vorteil, dass er vor einer möglichen Strafbarkeit nach § 119 BetrVG geschützt werden kann. § 119 BetrVG sieht nämlich eine Haftung des Arbeitgebers vor, wenn er den Betriebsrat oder einzelne Betriebsratsmitglieder in der Ausübung ihrer Tätigkeit behindert.