Durchführung einer Betriebsratswahl bei Kandidatenmangel

BAG, Beschluss vom 24.04.2024, 7 ABR 26/23

„Bewerben sich bei einer Betriebsratswahl weniger Arbeitnehmer um einen Betriebsratssitz, als Betriebsratsmitglieder gemäß § 9 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) zu wählen sind, ist ein kleinerer Betriebsrat zu entrichten.“

Rechtlicher Hintergrund

Gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 BetrVG werden in Betrieben mit in der Regel mindestens fünf ständigen wahlberechtigten, d.h. mindestens 16-jährigen Arbeitnehmern, von denen drei wählbar sind (§ 7 S. 1 BetrVG), Betriebsräte gewählt. Gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 BetrVG sind alle Arbeitnehmer ab 18 Jahren und mit einer Betriebszugehörigkeit von mindestens sechs Monaten am beabsichtigten Wahltag wählbar.  Wie viele Mitglieder der zu wählende Betriebsrat hat, hängt von der Anzahl der Arbeitnehmer ab (§ 9 BetrVG). Voraussetzung für die Anwendung der Regelung ist, dass es in dem Betrieb überhaupt ausreichend viele wählbare Arbeitnehmer gibt. Falls dies nicht der Fall sein sollte, sieht § 11 BetrVG vor, dass für die Zahl der Betriebsratsmitglieder die nächstniedrigere Betriebsgröße nach der Staffel des § 9 BetrVG gilt. Dies ist jedoch in der Praxis ein seltener Fall. Häufiger kommt es vor, dass in einem Betrieb zwar genügend wählbare Arbeitnehmer tätig sind, aber zu wenige von ihnen für den Betriebsrat kandidieren oder – falls sie kandidiert haben und gewählt wurden – die Wahl annehmen.

Sachverhalt

Die Arbeitgeberin ist Trägerin einer Klinik mit in der Regel 170 beschäftigten Arbeitnehmern. Bei dieser Größe sieht die Staffelung des § 9 BetrVG einen aus sieben Mitgliedern bestehenden Betriebsrat vor. Bei der im Frühjahr 2022 eingeleiteten Betriebsratswahl kandidierten jedoch nur drei Arbeitnehmer, und es wurde ein Betriebsrat mit drei Mitgliedern gewählt. Die Arbeitgeberin hat die Betriebsratswahl für nichtig gehalten und eine Feststellung beim Arbeitsgericht Hamburg begehrt. Sowohl dieses als auch das Landesarbeitsgericht Hamburg haben dem nicht entsprochen und die Betriebsratswahl als wirksam erachtet. Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin hatte auch vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) keinen Erfolg.

Entscheidung

Das BAG hat entschieden, dass es keinen Hinderungsgrund für die Wahl eines Betriebsrats darstellt, wenn sich nicht genügend Bewerber für das Betriebsratsamt finden. Dies ergebe sich bereits aus § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Diese Vorschrift drückt den Willen des Gesetzgebers aus, dass in Betrieben mit in der Regel mindestens fünf wahlberechtigten Arbeitnehmern, von denen drei wählbar sind, Betriebsräte gewählt werden. Sind zu wenige Kandidaten als zu vergebende Betriebsratssitze vorhanden, ist die jeweils niedrigere Stufe des § 9 BetrVG maßgeblich, und zwar so lange, bis die Anzahl von Bewerbern für die Errichtung eines Betriebsrats mit einer ungeraden Anzahl von Mitgliedern ausreicht.

Dr. Dietmar Olsen. Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kanzlei Dr. Olsen

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