Betriebsbedingte Kündigung in der Insolvenz – BAG-Urteil vom 17.08.2023

Aus der Pressemitteilung des BAG Nr. 32/23: „Ist eine Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG geplant, und schließen der Insolvenzverwalter und der Betriebsrat darüber einen Interessenausgleich mit Namensliste, wird nach § 125 Abs. 1 Nr. 1 InsO vermutet, dass die Kündigung des in der Namensliste aufgeführten Arbeitnehmers durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist. Im Zeitpunkt des Abschlusses des Interessenausgleichs muss sich die Betriebsänderung noch in der Planungsphase befinden, damit dem Betriebsrat entsprechend dem Zweck des § 111 BetrVG eine Einflussnahme auf die unternehmerische Entscheidung möglich ist.“

BAG, Urteil vom 17.08.2023, 6 AZR 56/23

Sachverhalt
Geklagt hatte ein Arbeitnehmer, der seit 2011 bei der Insolvenzschuldnerin beschäftigt ist. Der Insolvenzverwalter hat aufgrund der geplanten Betriebsstilllegung mit dem bei der Schuldnerin bestehenden Betriebsrat einen Interessenausgleich mit drei Arbeitnehmer aufführenden Namenslisten geschlossen. Der Kläger wurde auf der zweiten Liste namentlich genannt. Nach Unterzeichnung des Interessenausgleichs kündigte der Insolvenzverwalter dem Kläger betriebsbedingt. Später wurden Teile des Betriebs an einen vormaligen Hauptkunden verkauft.

Entscheidung
Das Landesarbeitsgericht hat die Kündigung als unwirksam angesehen. Das BAG hat auf die Revision des Insolvenzverwalters anders entschieden. Das BAG sieht die Kündigung als wirksam an, da sie aufgrund der Vermutung des § 125 Abs. 1 Nr. 1 InsO durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist. Der Insolvenzverwalter habe hinreichend dargelegt, dass die der Kündigung zugrunde liegende Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG nach § 125 Abs. 1 S. 1 InsO geplant war. Diese Vermutungswirkung habe der Kläger nicht widerlegt.

Fazit
Das BAG hat durch diese Entscheidung Kündigungen im Insolvenzverfahren erleichtert. Schließt ein Insolvenzverwalter mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich über Entlassungen, reicht für die Wirksamkeit einer Kündigung allein die ernste Absicht zur Stilllegung der Produktion zu diesem Zeitpunkt aus. Dies gilt auch dann, wenn es zu einem späteren Zeitpunkt zu einem Verkauf des Unternehmens kommt.

 

Dr. Dietmar Olsen. Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kanzlei Dr. Olsen

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