Thema: Verdachtskündigung
Ein Beitrag von Dr. Dietmar Olsen, Fachanwalt für Arbeitsrecht, München:
Wenn der letzte Beweis fehlt: Verdachtskündigung ist ein kompliziertes Instrument
Viele Unternehmer haben es erlebt: Ein Mitarbeiter begeht eine strafbare Handlung, doch der letzte Beweis fehlt. In diesem Fall steht dem Geschädigten das Instrument der Verdachtskündigung zur Verfügung – doch bei der Anwendung sind viele Feinheiten zu beachten, erklärt Arbeitsrechtsspezialist Dr. Dietmar Olsen.
Herr Dr. Olsen, wenn der erdrückende Beweis für ein strafbares Verhalten eines Mitarbeiters fehlt, ist eine Kündigung doch sicherlich schwierig. Was können Arbeitgeber trotzdem tun, um die Zusammenarbeit zu beenden. Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein?
Die Arbeitsgerichte unterscheiden zwischen einer „Tatkündigung“ und einer „Verdachtskündigung“. Während der Kündigungsgrund bei einer Tatkündigung auf der überführten Tat beruht, stützt sich die Verdachtskündigung auf die sichere Annahme, dass nur der betroffene Mitarbeiter die Tat begangen haben kann. Meist wird die Kündigung als fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung ausgesprochen. Existiert ein Betriebsrat, ist dieser vor Ausspruch der Kündigung anzuhören.
Kann ein Mitarbeiter gegen die Verdachtskündigung gerichtlich vorgehen, und wie sind die Erfolgsaussichten?
Der gekündigte Mitarbeiter muss innerhalb von drei Wochen eine Kündigungsschutzklage bei dem örtlich zuständigen Arbeitsgericht erheben. Sollte sich der Verdacht vor Gericht nicht soweit erhärten, dass die sichere Annahme für ein strafbares Handeln des Mitarbeiters gegeben ist, hat der Mitarbeiter gute Chancen, dass die Kündigung vom Arbeitsgericht als unwirksam betrachtet wird.
Welches Procedere sollte der Arbeitgeber einhalten, um auf der sicheren Seite zu sein?
Der Arbeitgeber muss den zu kündigenden Mitarbeiter auf jeden Fall vor Ausspruch der Kündigung zu den Verdachtsmomenten anhören und ihm die Gelegenheit geben, diese auszuräumen. In meiner täglichen Praxis erlebe ich leider häufig, dass diese Voraussetzung vergessen wird. Sinnvoll ist es, die Anhörung des Mitarbeiters durch die Beiziehung geeigneter Zeugen zu protokollieren und das Protokoll von dem Mitarbeiter gegenzeichnen zu lassen. Die Kündigung selbst muss schriftlich erfolgen, also mit Originalunterschrift des alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführers oder des Personalleiters. Die Übergabe ist zu dokumentieren. Zwischen dem Ende des Zeitraums, der sinnvoll für die Aufklärung des Sachverhalts benötigt wurde, und der Übergabe des Kündigungsschreibens dürfen nicht mehr als 14 Tage liegen, sofern fristlos statt ordentlich gekündigt werden soll.
Gerade in kleineren Betrieben bleibt ein solcher Vorgang nicht unbemerkt. Was sollte der Arbeitgeber tun, um den Betriebsfrieden zu wahren.
Lässt der Arbeitgeber das strafbare Verhalten eines Mitarbeiters sanktionslos durchgehen, öffnet er die Tür und Tor für Nachahmer. Ein hartes Durchgreifen sollte aber tatsächlich auf der berechtigten Annahme beruhen, dass allein der zu kündigende Mitarbeiter als Täter in Betracht kommt. Wird letztlich der falsche Mitarbeiter entlassen, werden sich die anderen Mitarbeiter gegen den Arbeitgeber solidarisieren.
Dr. Dietmar Olsen ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht in München. In seiner Münchner Kanzlei vertritt er überwiegend Arbeitnehmer, aber auch zahlreiche mittelständische Arbeitgeber. Die Schwerpunkte seiner Arbeit bilden arbeitsrechtliche Vertretung in Kündigungsschutzprozessen und bei sonstigen Klagen, Prüfung und Gestaltung von Arbeitsverträgen und Dienstverträgen sowie die Ausarbeitung und Verhandlung von Aufhebungs- und Abwicklungsverträgen.