Aus der Pressemitteilung des BAG Nr. 17/23: „Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos, weil er meint, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sei ihm nicht zuzumuten, bietet aber gleichzeitig dem Arbeitnehmer zur Vermeidung von Annahmeverzug(*) die Weiterbeschäftigung zu unveränderten Bedingungen während des Kündigungsschutzprozesses an, verhält er sich widersprüchlich. In einem solchen Fall spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass das Beschäftigungsangebot nicht ernst gemeint ist. Diese Vermutung kann durch die Begründung der Kündigung zur Gewissheit oder durch entsprechende Darlegungen des Arbeitgebers entkräftet werden.“
BAG, Urteil vom 29.03.2023 – 5 AZR 255/22
Sachverhalt
Geklagt hatte ein Arbeitnehmer, der mit Schreiben vom 02.12.2019 eine fristlose Änderungskündigung des Arbeitgebers erhielt mit der Aufforderung, dass „im Falle der Ablehnung der außerordentlichen Kündigung (also im Falle, dass der Arbeitnehmer von einem unaufgelösten Arbeitsverhältnis ausgeht) oder im Falle der Annahme des folgenden Angebots“ der Arbeitnehmer am 05.12.2019 um 12.00 Uhr bei der Arbeit erwartet werde. Der Kläger lehnte das Änderungsangebot ab, woraufhin er eine weitere fristlose Kündigung erhielt. Auch darin war vermerkt, dass der Kläger am Tag des Fristendes zum Arbeitsantritt erwartet werde. Der Kläger erschien erneut nicht. Der Arbeitgeber zahlte daraufhin ein lediglich verringertes Gehalt mit der Begründung, dass Annahmeverzug nicht vorgelegen habe, weil der Kläger das Weiterbeschäftigungsangebot nicht angenommen habe.
Entscheidung
Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass sich ein Arbeitgeber widersprüchlich verhalte, wenn er einen Mitarbeiter fristlos kündige mit der Begründung, die Fortführung des Arbeitsverhältnisses sei nicht zumutbar gewesen, ihm dann aber gleichzeitig die Weiterbeschäftigung anbiete, um Annahmeverzugslohn zu vermeiden. Nach Ansicht des BAG spreche die Vermutung dafür, dass das Angebot der Weiterbeschäftigung des Arbeitgebers nicht ernst gemeint war. Die Ablehnung des Angebots spreche nicht für einen fehlenden Leistungswillen des Klägers gemäß § 297 BGB.
Fazit
Arbeitgeber befinden sich bereits dann in Annahmeverzug, wenn sie eine fristlose Kündigung aussprechen. Arbeitnehmer müssen Ihre Arbeitskraft somit nicht anbieten, sofern der Arbeitgeber kommuniziert, dass die Fortführung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zumutbar war. Die Vermutung, dass das Angebot der Weiterbeschäftigung nicht ernst gemeint war, kann jedoch durch Darlegung entsprechender Gründe entkräftet werden.
(*) Hinweis zum Annahmeverzug: Im Arbeitsrecht gilt der Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“. Dieser Grundsatz kann durch Ausnahmen durchbrochen werden, wozu der Annahmeverzug des Arbeitgebers gehört. Der Arbeitgeber kommt in Annahmeverzug, wenn er die ihm angebotene Arbeitsleistung des Arbeitnehmers nicht annimmt. Der praktisch häufigste Fall des Annahmeverzugs tritt bei Nichtbeschäftigung eines Arbeitnehmers im Anschluss an eine unwirksame Arbeitgeberkündigung ein. § 615 BGB erhält dem Arbeitnehmer in diesem Fall den Lohnanspruch.