BAG, Beschluss vom 24.01.2017, 1 ABR 24/15
Bei einer identitätswahrenden Übertragung eines Betriebs auf einen anderen Rechtsträger gilt der Inhalt einer Gesamtbetriebsvereinbarung normativ weiter, wenn der Erwerber den Betrieb unverändert fortführt und der Gegenstand der Gesamtbetriebsvereinbarung bei ihm nicht normativ geregelt ist. Dies gilt jedoch nicht, wenn der Inhalt der Gesamtbetriebsvereinbarung die Zugehörigkeit zu dem bisherigen Unternehmen zwingend voraussetzt.
Der Fall:
Die Arbeitgeberin, Betreiberin eines Krankenhauses, und deren Betriebsrat, bei dem auch ein Wirtschaftsausschuss gebildet worden war, stritten über die Fortgeltung einer bei der Rechtsvorgängerin der Arbeitgeberin geschlossenen „Gesamtbetriebsvereinbarung“. Bei der Rechtsvorgängerin der Arbeitgeberin, der H GmbH, bestanden sieben Krankenhäuser als selbstständige Betriebe, darunter das H B. Für das Unternehmen waren ein Gesamtbetriebsrat und ein Konzernbetriebsrat errichtet sowie ein Wirtschaftsausschuss gebildet worden.
Im Oktober 2007 schlossen die Rechtsvorgängerin und der Gesamtbetriebsrat eine „Gesamtbetriebsvereinbarung … zur Erfüllung der Informationsansprüche des Wirtschaftsausschusses des Gesamtbetriebsrates“, in der insbesondere ein monatliches sog. Standard-Reporting an den Wirtschaftsausschuss geregelt war, d.h. ein Bericht über die wirtschaftlichen Kennzahlen, die damals für jeden Standort und jede Klinik erstellt wurden. Darüber hinaus regelte die GBV auch einzelne Informationsrechte der örtlichen Betriebsräte zu diesen Kennzahlen.
Die sieben Krankenhäuser der Rechtsvorgängerin wurden im Wege der Ausgliederung auf jeweils neu gegründete Rechtsträger übertragen, darunter der Betrieb H B, der auf die Arbeitgeberin übertragen wurde. Infolgedessen entfielen bei der Rechtsvorgängerin die Voraussetzungen für die Bildung eines Gesamtbetriebsrats. Der Betriebsrat der Arbeitgeberin vertrat die Ansicht, die GBV gelte als Betriebsvereinbarung bei der Arbeitgeberin weiter. Sie enthalte normative Regelungen, weil den örtlichen Betriebsräten Rechte eingeräumt würden. Ihre Bestimmungen ließen sich „fast ausnahmslos“ auf den bei ihr bestehenden Wirtschaftsausschuss übertragen.
Der Betriebsrat zog daraufhin vor das Arbeitsgericht mit dem Antrag, die Arbeitgeberin zu verpflichten, die „Gesamtbetriebsvereinbarung zur Erfüllung der Informationsansprüche des Wirtschaftsausschusses des GBR“ als Einzelbetriebsvereinbarung mit der Maßgabe anzuwenden, dass sich der Inhalt der Unterrichtung nur auf das Unternehmen der Arbeitgeberin bezieht.
Die Entscheidung:
Der Betriebsrat hatte mit seinem Antrag zwar vor dem Arbeitsgericht Erfolg, nicht jedoch vor dem LAG. Auch seine Beschwerde zum BAG wurde abgewiesen. Das BAG führte für seine Entscheidung die folgende Begründung an: Zwar sei es demnach richtig, dass bei einer identitätswahrenden Übertragung eines Betriebs auf einen anderen Rechtsträger der Inhalt einer Gesamtbetriebsvereinbarung normativ weitergelte, wenn der Erwerber den Betrieb unverändert fortführe und der Gegenstand der Gesamtbetriebsvereinbarung bei ihm nicht normativ geregelt war, dies gelte jedoch dann nicht, wenn der Inhalt der Gesamtbetriebsvereinbarung die Zugehörigkeit zu dem bisherigen Unternehmen zwingend voraussetze.
Dies sei hier der Fall. Regelungsgegenstand der konkreten GBV sei demnach gerade keine lediglich auf der Ebene des Unternehmens ausgestaltete betriebliche Angelegenheit. Vielmehr regele die Vereinbarung spezifische Unterrichtungs- und Beratungsansprüche für einen bei einem herrschenden Konzernunternehmen vom Gesamtbetriebsrat gebildeten Wirtschaftsausschuss, bei dem weitere Betriebe mit Betriebsräten bestehen. Die GBV knüpfe demnach zwingend an eine bei der Rechtsvorgängerin bestehende Unternehmens- und betriebsverfassungsrechtliche Struktur an, die bei der jetzigen Arbeitgeberin nicht bestehe. So sei die Arbeitgeberin kein herrschendes Konzernunternehmen, vielmehr seien Unternehmens- und Betriebsebene bei ihr identisch.
Die Arbeitgeberin könne demnach auch keine konsolidierte Gesamtdarstellung zur wirtschaftlichen Situation bei H einschließlich der verbundenen Unternehmen erstellen, um sie dem bei ihr gebildeten Wirtschaftsausschuss zur Verfügung zu stellen. Diese Informationen beträfen zudem keine wirtschaftliche Angelegenheit ihres Unternehmens. Darüber hinaus käme es auch zu einer „Doppelung“ von Unterrichtungspflichten, denn sowohl dem Betriebsrat als auch dem von ihm gebildeten Wirtschaftsausschuss wären identische Standard-Reportings vorzulegen.