BAG, Beschluss vom 18.01.2017, 7 ABR 60/15
Leiharbeitnehmer sind bei der Feststellung der für die Anzahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder maßgeblichen Belegschaftsstärke im Entleiherbetrieb zu berücksichtigen, wenn sie zum regelmäßigen Personalbestand des Betriebs gehören.
Der Fall:
Der Betriebsrat und der Arbeitgeber stritten über die Anzahl der nach § 38 BetrVG freizustellenden Betriebsratsmitglieder. Im Rahmen seiner konstituierenden Sitzung am 21. März 2014 wählte der Betriebsrat den Vorsitzenden sowie dessen Stellvertreter als freigestellte Betriebsratsmitglieder. Vor der Sitzung hatte der Betriebsrat die Arbeitgeberin über die beabsichtigte Wahl von zwei freizustellenden Betriebsratsmitgliedern informiert. Nachdem die Arbeitgeberin einer zweiten Freistellung unter Hinweis auf die aus ihrer Sicht zutreffende Anzahl der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer widersprochen hatte, verlangte der Betriebsrat von der Arbeitgeberin aufgrund eines Beschlusses vom 23. April 2014 die Freistellung auch des Stellvertreters. Zu diesem Zeitpunkt beschäftigte die Arbeitgeberin 488 Stammarbeitnehmer einschließlich der Auszubildenden sowie 22 Leiharbeitnehmer.
Im Rahmen des arbeitsgerichtlichen Verfahrens legte der Betriebsrat später eine Übersicht für die Jahre 2013 bis 2014 vor, in der jeweils zum ersten eines Monats die Zahl, der im Betrieb beschäftigten festangestellten Arbeitnehmer sowie Leiharbeitnehmer aufgeführt war. Vom 01.01.2014 bis zum 01.09.2014 schwankte die Zahl der Leiharbeitnehmer demnach zwischen 19 und 28 Leiharbeitnehmern. Höchstens fünf der Leiharbeitnehmer wurden dabei zur Vertretung von ausgefallenen Stammarbeitnehmern eingesetzt. Im späteren gerichtlichen Verfahren trug der Betriebsrat vor, im Zeitpunkt der Freistellungswahl habe die Arbeitgeberin in der Regel mindestens 501 Arbeitnehmer einschließlich der Leiharbeitnehmer beschäftigt. Er vertrat dabei die Auffassung, die Leiharbeitnehmer seien bei der für die Anzahl freizustellender Betriebsratsmitglieder maßgeblichen Belegschaftsstärke zu berücksichtigen, da sie nicht nur einen vorübergehenden Beschäftigungsbedarf abdeckten und das dauerhafte Arbeitsaufkommen im Betriebsrat wesentlich beeinflussten.
Die Entscheidung:
Das Arbeitsgericht und das LAG entschieden beide im Sinne des Betriebsrats. Auch vor dem BAG hatte der Arbeitgeber keinen Erfolg. Da das BAG die sog. „Zwei-Komponenten-Lehre“ im Hinblick auf Leiharbeitnehmer bereits zuvor aufgegeben hatte, führte das BAG aus, dass es demnach nur folgerichtig sei, Leiharbeitnehmer künftig (entgegen der bisherigen Rechtsprechung) auch bei der Feststellung der Belegschaftsstärke im Entleiherbetrieb nach § 38 Absatz 1 BetrVG zu berücksichtigen. Leiharbeitnehmer seien demnach bei der Feststellung der für die Anzahl freizustellender Betriebsratsmitglieder maßgeblichen Belegschaftsstärke im Entleiherbetrieb mitzurechnen, wenn sie zum regelmäßigen Personalbestand des Betriebs zählen.
Der Arbeitsaufwand des Betriebsrats werde nämlich nicht nur durch die Stammbelegschaft, sondern vielmehr maßgeblich auch durch Leiharbeitnehmer bestimmt. Für die Anzahl der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer sei die Personalstärke maßgeblich, die für den Betrieb im Allgemeinen kennzeichnend sei. Für die entsprechende Feststellung sei eine rückblickende Betrachtung anzustellen, für die ein Zeitraum zwischen sechs Monaten bis zwei Jahren als angemessen erachtet werde, als auch eine Prognose, bei der konkrete Veränderungsentscheidungen zu berücksichtigen seien. Werden Arbeitnehmer demnach nicht ständig, sondern vielmehr lediglich zeitweilig beschäftigt, käme es für die Frage der regelmäßigen Beschäftigung darauf an, ob sie normalerweise während des größten Teils eines Jahres, d.h. länger als sechs Monate, beschäftigt werden. Das gelte auch für Leiharbeitnehmer, wenn Leiharbeit längerfristig als Instrument zur Deckung des Personalbedarfs im Betrieb genutzt werde. Dies sei hier der Fall.