BAG, Urteil vom 17.11.2015, 1 AZR 938/13
Eine Sozialplanabfindung, deren Höhe unmittelbar an das Merkmal der Behinderung anknüpft, ist unwirksam, wenn dadurch schwerbehinderte Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern, die ebenso von dem sozialplanpflichtigen Arbeitsplatzverlust betroffen sind, schlechter gestellt werden.
Der Fall:
Arbeitgeber und Betriebsrat hatten einen Sozialplan vereinbart, der für die Milderung der Nachteile aus einem Arbeitsplatzverlust wegen einer Betriebsänderung eine Abfindung für die betroffenen Arbeitnehmer vorsah, die sich individuell aus dem Brutto-Monatsgehalt, der Betriebszugehörigkeit und einem Faktor (Formelberechnung) errechnete. Für Arbeitnehmer, die vor dem 01.01.1952 geboren waren und nach dem Bezug von Arbeitslosengeld (max. 12 Monate) eine vorzeitige Altersrente erstmals in Anspruch nehmen konnten, war die Abfindung auf maximal € 40.000 brutto begrenzt.
Arbeitnehmer, die hingegen aufgrund einer Schwerbehinderung bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Rente beanspruchen konnten, waren nach § 2 Ziffer 1. des Sozialplans von dem Anspruch auf Erhalt einer Abfindung nach der Formelberechnung gänzlich ausgenommen. Sie sollten lediglich eine Abfindungspauschale in Höhe von € 10.000,00 brutto erhalten sowie einen einmaligen Zusatzbetrag in Höhe von € 1.000,00 brutto, der allen schwerbehinderten Arbeitnehmern zustand. Der 1950 geborene und schwerbehinderte Arbeitnehmer war seit Mai 1980 bei der Beklagten beschäftigt. Da die Betriebsabteilung, in welcher der Arbeitnehmer beschäftigt war, stillgelegt wurde, schied er aus dem Unternehmen aus.
Nach der reinen Formelberechnung hätte der Arbeitnehmer nach dem Sozialplan eine Abfindung in Höhe von € 64.558,00 brutto erhalten. Im Rahmen der Begrenzung bezüglich der rentennahen Jahrgänge hätte der Arbeitnehmer zumindest € 40.000,00 brutto als Abfindung erhalten. Als schwerbehinderter Arbeitnehmer erhielt der Arbeitnehmer jedoch lediglich die € 10.000,00 brutto Abfindungspauschale zzgl. des Zusatzbetrags in Höhe von € 1.000,00 brutto. Mit seiner Klage verlangte der Arbeitnehmer zuletzt die Zahlung einer weiteren Abfindung i. H. v. € 30.000,00 brutto unter Berücksichtigung der Begrenzung für rentennahe Jahrgänge.
Die Entscheidung:
Die Vorinstanzen hatte der Klage stattgegeben, soweit der Arbeitnehmer die Zahlung einer Abfindung unter Berücksichtigung der Begrenzung auf die rentennahen Jahrgänge verlangte. Die Revision des Arbeitgebers hatte vor dem BAG keinen Erfolg. Das BAG vertrat die Ansicht, dass der Sozialplan wegen der unterschiedlichen Berechnungsmethoden einer Abfindung für nicht-schwerbehinderte Arbeitnehmer (Formelberechnung) und schwerbehinderte Arbeitnehmer (Abfindungspauschale) und dem damit einhergehenden Systemwechsel bei der Berechnung der Abfindung gegen die Diskriminierungsverbote des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) verstoße.
Die Regelung eines pauschalierten Abfindungsbetrags für Arbeitnehmer, die wegen ihrer Schwerbehinderung rentenberechtigt seien, knüpfte unmittelbar an das Merkmal der Behinderung an und führe zu einer Ungleichbehandlung in Bezug auf dieses Merkmal. Die schwerbehinderten Arbeitnehmer würden benachteiligt, da ihnen nach einer, für nicht schwerbehinderte Arbeitnehmer geltenden Berechnungsformel ein höherer Abfindungsbetrag zustehen würde. Die Abfindungspauschale im Sozialplan dürfe somit gem. § 7 Abs. 2 AGG ihnen gegenüber nicht angewendet werden.