Arbeitnehmerstatus eines Vereinsmitglieds im Yoga-Ashram – Urteil 25.04.2023

Aus der Pressemitteilung des BAG Nr. 20/23: „Das verfassungsrechtlich gewährleistete Selbstbestimmungsrecht von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften kann nur von einem Verein in Anspruch genommen werden, der ein hinreichendes Maß an religiöser Systembildung und Weltdeutung aufweist. Andernfalls ist es ihm verwehrt, mit seinen Mitgliedern zu vereinbaren, außerhalb eines Arbeitsverhältnisses fremdbestimmte, weisungsgebundene Arbeit in persönlicher Abhängigkeit zu leisten, sofern diese nicht ähnlich einem Arbeitnehmer sozial geschützt sind.“

BAG, Urteil vom 25.04.2023, 9 AZR 253/22

Sachverhalt

Geklagt hatte eine Volljuristin, die vom 01.03.2012 bis zur Beendigung ihrer Mitgliedschaft am 30.06.2020 bei der Beklagten, einem gemeinnützigem Verein, dessen satzungsmäßiger Zweck „die Volksbildung durch die Verbreitung des Wissens, der Lehre, der Übungen und der Techniken des Yogas und verwandter Disziplinen sowie Förderung der Religion“ ist, als Sevaka (*) in dessen Yoga-Ashram verschiedene Arbeiten leistete. Die Klägerin war der Ansicht, dass zwischen ihr und dem Verein ein Arbeitsverhältnis bestanden habe, und verlangte auf der Grundlage ihrer vertraglichen Regelarbeitszeit von 42 Stunden pro Woche den gesetzlichen Mindestlohn, insgesamt einen Betrag in Höhe von € 36.118,54 brutto. Die Beklagte wandte ein, dass ein Arbeitsverhältnis zu keinem Zeitpunkt bestanden habe, da die Klägerin gemeinnützige Sevadienste als Mitglied einer hinduistischen Ashramgemeinschaft leistete. Sie stützte sich auf die Religionsfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG und das Selbstbestimmungsrecht nach Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 WRV, wonach Religionsgemeinschaften ermöglicht wird, eine geistliche Lebensgemeinschaft außerhalb eines Arbeitsverhältnisses zu schaffen.

Entscheidung

Nachdem das Arbeitsgericht in 1. Instanz der Klage stattgegeben hatte, das Landesarbeitsgericht in 2. Instanz jedoch die Klage auf die Berufung der Beklagten abgewiesen hatte, hat das Bundesarbeitsgericht der Klägerin mit der Begründung recht gegeben, dass die Klägerin vertraglich zu Sevadiensten und damit gemäß § 611a Abs. 1 BGB zu einer Arbeitsleistung verpflichtet gewesen sei. Somit stehe ihr der gesetzliche Mindestlohn nach § 1 Abs. 1 i.V.m. § 22 Abs. 1 Satz 1 MiLoG zu. Weder die Vereinsautonomie nach Art. 9 Abs. 1 GG noch die Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften würden der Arbeitnehmereigenschaft entgegenstehen. Die Klägerin hat weisungsgebundene, fremdbestimmte Arbeit geleistet und sei somit als Arbeitnehmerin anzusehen.

(*) Sevakas sind Vereinsangehörige, die in der indischen Ashram- und Klostertradition zusammenleben und ihr Leben umfassend der Yogalehre und dessen Verbreitung widmen.

Dr. Dietmar Olsen. Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kanzlei Dr. Olsen

Dr. Dietmar Olsen
Fachanwalt Für Arbeitsrecht

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