Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 29.03.2023, Az. 5 AZR 255/22
Der Sachverhalt:
Der Kläger war ab dem 16.08.2018 als technischer Leiter bei der Beklagten beschäftigt. Mit Schreiben vom 02.12.2019 sprach die Beklagte eine fristlose Änderungskündigung aus, mit der sie dem Kläger gleichzeitig einen neuen Arbeitsvertrag als Softwareentwickler mit einem deutlich geringeren Gehalt anbot. In dem Kündigungsschreiben hieß es außerdem: „Im Falle der Ablehnung der außerordentlichen Kündigung durch Sie (also im Falle, dass Sie von einem unaufgelösten Arbeitsverhältnis ausgehen) oder im Falle der Annahme des folgenden Angebots erwarten wir Sie am 05.12.2019 spätestens um 12:00 Uhr MEZ zum Arbeitsantritt.“
Der Kläger lehnte das Änderungsangebot ab und erschien auch nicht zur Arbeit. Daraufhin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis erneut und zwar außerordentlich zum 17.12.2019 um 12:00 Uhr MEZ. Außerdem wies sie darauf hin, „im Falle der Ablehnung dieser außerordentlichen Kündigung“ wird der Kläger „am 17.12.2019 spätestens um 12:00 Uhr MEZ zum Arbeitsantritt“ erwartet. Auch dieser Aufforderung kam der Kläger nicht nach. In dem Kündigungsschutzprozess wurde rechtskräftig festgestellt, dass beide Kündigungen das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst haben. Der Kläger erhob daraufhin Klage auf die vertraglich vereinbarte Vergütung im Wege des Annahmeverzuges bis zum Antritt der neuen Beschäftigung, denn der Arbeitgeber hatte für den Monat Dezember 2021 nur noch einen Bruchteil der Vergütung bezahlt hatte und der Kläger hat erst im April 2020 ein neues Arbeitsverhältnis begonnen.
Die Entscheidung:
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen mit der Begründung, dass der Kläger trotz der unwirksamen Kündigungen keinen Anspruch auf Annahmeverzugslohn habe, weil das Angebot der Beklagten, während des Kündigungsschutzprozesses bei ihr zu arbeiten, nicht angenommen wurde.
Das BAG hat diese Entscheidungen nicht bestätigt und den Anspruch des Klägers auf Annahmeverzugslohn bejaht. Die Beklagte befand sich aufgrund der unwirksamen fristlosen Kündigungen im Annahmeverzug, ohne dass es eines Arbeitsangebots des Klägers bedurft hätte. Grund dafür sei das widersprüchliche Verhalten der Beklagten. Zuerst habe sie deutlich gemacht, dass eine Weiterbeschäftigung des Klägers unzumutbar sei. Deshalb spreche eine tatsächliche Vermutung dafür, dass kein ernstgemeintes Angebot einer Prozessbeschäftigung unterbreitet wurde. Die Ablehnung eines solchen nicht ernstgemeinten Angebots lasse nicht auf einen fehlenden Leistungswillen des Klägers schließen.
Es könne lediglich der böswillig unterlassene Verdienst anzurechnen sein nach § 11 Nr. 2 KSchG, allerdings scheide dies vorliegend aus, da es dem Kläger aufgrund der erhobenen Vorwürfe unzumutbar gewesen sei, eine Prozessbeschäftigung bei der Beklagten einzugehen.