Wirksamkeit einer durch Betriebsvereinbarung geregelten Altersgrenze

BAG, Urteil vom 21.02.2017, 1 AZR 292/15

Betriebsparteien sind berechtigt, eine Altersgrenze für die Befristung von Arbeitsverhältnissen zu regeln, die auf das Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung abstellt. Dabei haben sie jedoch den Bestands- und Vertrauensschutz einzelner Arbeitnehmer zu beachten.

Der Fall:

Der am 25. Oktober 1948 geborene Arbeitnehmer war seit Mai 1969 bei seinem Arbeitgeber auf der Grundlage eines mündlichen Arbeitsvertrags beschäftigt. Der Arbeitgeber war an die Tarifverträge für die Arbeitnehmer der kunststoffverarbeitenden Industrie im Kreis L gebunden. Am 27.08.2013 trat im Betrieb des Arbeitgebers erstmals die „Betriebsvereinbarung Nr. 3/2013 über die Beendigung bzw. das Ruhen von Arbeitsverhältnissen gemäß den Bestimmungen der gesetzlichen Rentenversicherung“ (BV 2013) in Kraft. Diese lautete auszugsweise wie folgt:

„(…)

§ 2 Beendigung bzw. Ruhen von Arbeitsverhältnissen

Mit Inkrafttreten dieser Betriebsvereinbarung gelten für alle Arbeitnehmer folgende Regelungen:

  1. Das Arbeitsverhältnis endet ohne Kündigung mit Ablauf des Monats, in dem der Arbeitnehmer die Altersgrenze für eine Regelaltersrente in der gesetzlichen Rentenversicherung (derzeit §§ 35, 235 SGB VI) ohne Abschläge erreicht hat und diese auch durch einen ihm zustehenden Anspruch beziehen kann, unabhängig davon, ob ein entsprechender Rentenantrag bereits gestellt wurde. (…)
  2. Ausgenommen von vorstehenden Regelungen sind Arbeitnehmer, deren Weiterbeschäftigung über das Datum der Rentenbezugsberechtigung hinaus bereits vor Inkrafttreten dieser Betriebsvereinbarung vertraglich vereinbart ist.
  3. In den Fällen, in denen die Voraussetzungen in § 2 Ziff. 1 zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Betriebsvereinbarung bereits erfüllt sind, und die Ausnahmeregelung in Ziff. 6 nicht zutrifft, endet das Arbeitsverhältnis zum Ende des Folgemonats, nach dem der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber über diese Betriebsvereinbarung und die Altersgrenze schriftlich informiert worden ist und aufgefordert worden ist, einen Rentenantrag zu stellen.“

Anfang September 2013 teilte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mit, dass sein Arbeitsverhältnis aufgrund der BV 2013 mit Ablauf des 31. Dezember 2013 enden werde. Hiergegen erhob der Arbeitnehmer Klage zum Arbeitsgericht. Er vertrat dabei die Auffassung, sein Arbeitsverhältnis sei nicht durch die in der BV 2013 enthaltene Altersgrenzen Regelung beendet worden. Bei der Einstellung sei ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründet worden. Diese Abrede gehe als günstigere Absprache der BV 2013 vor. Die BV 2013 sei zudem mangels ordnungsgemäßer Beschlussfassung des Betriebsrats nicht wirksam zustande gekommen. Sie verstoße auch gegen die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 BetrVG und sei mit § 75 Abs. 1 BetrVG unvereinbar. Die Betriebsparteien hätten für rentennahe Arbeitnehmer eine Übergangsregelung treffen müssen.

Die Entscheidung:

Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Das LAG gab dem Arbeitnehmer jedoch Recht. Die hiergegen eingelegte Revision des Arbeitgebers hatte vor dem BAG keinen Erfolg. Das BAG stellte hierzu zunächst fest, dass entsprechend seiner bisherigen Rechtsprechung die Betriebsparteien durchaus dazu berechtigt seien, eine Altersgrenze für die Befristung von Arbeitsverhältnissen zu regeln, die auf das Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung abstellt.

Im vorliegenden Fall, sah das BAG die Regelung in der Betriebsvereinbarung jedoch als unzulässig an. Es führte hierzu aus, dass die Betriebsparteien gem. § 75 Abs. 1 S.1 BetrVG darüber zu wachen hätten, dass die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit der Arbeitnehmer stets gewahrt bleibt. Hieraus folge auch ein Bestands- und Vertrauensschutz der Arbeitnehmer. So hätten die Arbeitnehmer u.a. ein schutzwürdiges Bedürfnis, über eine angemessene Zeit zu verfügen, um sich auf eine veränderte rechtliche Lage einzustellen und ihre Lebensführung oder -planung an die geänderten Umstände anzupassen.

Gegen diesen Vertrauensschutz verstoße jedoch die Regelung in § 2 Nr. 1 BV 2013, da sie die rentennahen Jahrgänge im Betrieb des Arbeitgebers unangemessen benachteilige, da es für diese Arbeitnehmer keine Übergangsregelung gäbe. Demnach würden insbesondere solche Arbeitnehmer benachteiligt, die in Unkenntnis der kommenden Regelung keine über die Altersgrenze hinausgehende Weiterbeschäftigungsvereinbarung mit dem Arbeitgeber getroffen hätten. Ohne eine entsprechende Übergangsregelung für rentennahe Jahrgänge könne die Regelung daher keinen Bestand haben.

Dr. Dietmar Olsen. Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kanzlei Dr. Olsen

Dr. Dietmar Olsen
Fachanwalt Für Arbeitsrecht

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