LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 29.06.2017, 5 Sa 5/17
Vorweg-Abmahnungen sind nur dann zulässig, wenn sie kurz vor einer zu befürchtenden Pflichtverletzung ausgesprochen werden.
Der Fall:
Im Fall ging es um ein Arbeitnehmer, der seit zwei Jahren bei seinem Arbeitgeber beschäftigt war. Im Verlauf des Arbeitsverhältnisses kam es zu verschiedenen Vorfällen: In einem Fall beauftragte der Arbeitnehmer einen ihm unterstellten Mitarbeiter, für ihn auf dem Rückweg von einem dienstlichen Einsatz ein Sakko von der Reinigung abzuholen. Die tat der unterstellte Mitarbeiter und verwendete dabei seinen Dienstwagen. Einige Wochen später ließ sich der Arbeitnehmer von einem Auszubildenden des Betriebs von seiner Wohnung in den Betrieb und nach Dienstende wieder nach Hause fahren, da sein privater PKW an diesem Tag in der Werkstatt war.
Der Arbeitnehmer hatte bei Beginn des Arbeitsverhältnisses zuvor eine Dienstwagenregelung unterzeichnet, in der er sich dazu verpflichtet hatte, dienstlich überlassene Fahrzeuge ausschließlich für dienstliche und nicht für private Zwecke zu benutzen. Der Arbeitnehmer bestätigte in der Vereinbarung außerdem, dass er darüber belehrt worden sei, dass ein Verstoß gegen diese Anordnung „arbeitsrechtliche Folgen (Ermahnung, Abmahnung, Kündigung)“ haben kann. Aufgrund der beiden Fälle, in denen der Arbeitnehmer gegen diese Vereinbarung verstoßen hatte, kündigte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich aus verhaltensbedingten Gründen. Hiergegen erhob der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage.
Die Entscheidung:
Das Arbeitsgericht gab der Kündigungsschutzklage statt, da es die beiden Vorfälle für eine Kündigung zum einen nicht als erheblich genug ansah, zum anderen ausführte, dass eine Abmahnung in den beiden Fällen ausgereicht hätte. Auf die Kündigungsandrohung in der Dienstwagenregelung könne sich der Arbeitgeber zudem nicht berufen, da hier nicht ausdrücklich die Kündigung angedroht worden sei, sondern diese nur eine von mehreren Alternativen (Ermahnung, Abmahnung, Kündigung) darstelle.
Das LAG bestätigte diese Entscheidung und wies die Berufung des Arbeitgebers zurück. In der Begründung führte das LAG aus, die erste Privatnutzung sei eine Lappalie gewesen, da der betreffende Arbeitnehmer ohnehin dienstlich unterwegs gewesen sei. Der kurze Stopp bei der Reinigung stelle daher keine erhebliche Pflichtverletzung dar. Insbesondere enthalte die Dienstwagenregelung keine konkrete Anweisung zu kleineren Umwegen. Die zweite Privatnutzung sah das LAG hingegen zwar als deutlichen Verstoß gegen die Dienstwagenvereinbarung an, betonte jedoch – wie das Arbeitsgericht -, dass dies nur mit einer Abmahnung hätte sanktioniert werden dürfen.
Selbst wenn man demnach in diesem Zusammenhang die Regelung in der Dienstwagenvereinbarung – entgegen der Ansicht des Arbeitsgericht – als vorweggenommene Abmahnung ansehen könne, könne sich der Arbeitgeber hierauf nicht berufen, denn eine solche vorweggenommene Abmahnung sei nur dann ausreichend, wenn der Arbeitgeber „sie bereits in Ansehung einer möglicherweise bevorstehenden Pflichtverletzung“ ausspreche. Nur dann könnte eine zeitnah erfolgende Pflichtverletzung aus Sicht eines besonnenen Arbeitgebers eine beharrliche Arbeitsverweigerung darstellen, die eine außerordentlich fristlose Kündigung rechtfertigen könnte.