BAG, Urteil vom 24.05.2017, 5 AZR 251/16
Die Rücknahme einer Kündigung beendet erst dann den laufenden Annahmeverzug, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mitteilt, wo und wann er seine Arbeit wiederaufnehmen soll.
Der Fall:
Die Arbeitnehmerin war seit Herbst 2007 bei einem Nachverkehrsunternehmen als Busbegleitung beschäftigt. In dieser Funktion begleitete sie geistig bzw. körperlich behinderte Personen sowohl morgens als auch nachmittags auf der jeweiligen Busfahrt. Pro Arbeitstag erhielt sie € 7,50 brutto als Tagespauschale. Im Sommer 2012 stimmte die Arbeitnehmerin einer vom Arbeitgeber vorgelegten schriftlichen Vereinbarung zu, nach der das bestehende Arbeitsverhältnis zum 21.08.2012 beendet werden sollte. Am selben Tag wurde der Arbeitnehmerin jedoch ein neuer schriftlicher Arbeitsvertrag vorgelegt, der eine Arbeitszeit von 20,5 Wochenstunden und einen Stundenlohn von € 9,00 brutto vorsah. Bezahlt werden sollten jedoch nur die Zeiten, in denen die Arbeitnehmerin tatsächlich als Busbegleitung tätig war. Im Herbst 2012 kam es dann wegen der Höhe der Bezahlung zu Meinungsverschiedenheiten.
In der Folge kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 07.11.2012 zum 30.11.2012 und beschäftigte die Arbeitnehmerin ab dem 07.11.2012 auch nicht mehr weiter. Bereits am 13.11.2012 erhob die Arbeitnehmerin Kündigungsschutzklage, die dem Arbeitgeber einige Tage später zugestellt wurde. Daraufhin nahm der Arbeitgeber die Kündigung am 23.11.2012 zurück. Da jedoch aus Sicht der Arbeitnehmerin weiterhin Gehalt offen war, erweiterte sie die Klage um die offene Vergütung. Dabei stellte sie zugleich klar, dass sie derzeit zu einer einvernehmlichen Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht bereit sei, bevor sie nicht ihr Geld erhalte. Das Arbeitsgericht gab der Kündigungsschutzklage statt, wies jedoch die Zahlungsansprüche überwiegend zurück.
Daraufhin einigten sich die Parteien doch noch auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.01.2013, setzten den Prozess bezüglich der Zahlungsansprüche in der zweiten Instanz jedoch fort. Hierbei verlangte die Arbeitnehmerin auch Annahmeverzugslohn für den Zeitraum ab dem Ausspruch der Kündigung (07.11.2012) bis zum Datum der einvernehmlichen Beendigung zum 31.01.2013.
Die Entscheidung:
Das LAG verurteilte den Arbeitgeber zur Zahlung des rückständigen Lohns und für den Zeitraum vom 07.11.2012 bis zur einvernehmlichen Beendigung am 31.01.2013 zudem zur Zahlung des Annahmeverzugslohns. Das BAG hob das LAG-Urteil wegen des rückständigen Lohns zwar auf und verwies den Rechtsstreit zurück zum LAG, bestätigte dabei jedoch die Entscheidung des LAG, nachdem der Arbeitgeber für den Zeitraum vom 07.11.2012 bis zum 31.01.2013 Annahmeverzug schuldete:
Das BAG führte hierzu aus, dass durch den Umstand, dass der Arbeitgeber am 07.11.2012 nicht nur die Kündigung ausgesprochen, sondern die Arbeitnehmerin vielmehr ab diesem Tag auch nicht mehr weiterbeschäftigt hatte, der Annahmeverzugslohn ausgelöst worden sei. Der Arbeitgeber habe damit gegen seine arbeitsvertragliche Beschäftigungspflicht verstoßen. Der Annahmeverzug sei auch nicht durch die Rücknahme der Kündigung am 23.11.2012 beendet worden, denn der Annahmeverzug werde grundsätzlich nur dann beendet, „wenn der Erklärung des Arbeitgebers mit hinreichender Deutlichkeit die Aufforderung zu entnehmen ist, der Arbeitnehmer möge zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort die Arbeit wieder aufnehmen“.
Die reine Rücknahme der Kündigung beinhalte eine solche Aufforderung jedoch nicht. Auch die spätere Ablehnung der Arbeitnehmerin, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, wenn der Arbeitgeber nicht die offene Vergütung bezahle, änderte daran nichts. Das BAG sah dies als prozessual zulässiges Verhalten an.