LAG Niedersachsen, Urteil vom 16.01.2024, 9 Sa 575/23
Hintergrund:
In Zeiten der Digitalisierung ist es naheliegend, dass auch Lohnabrechnungen nicht mehr in Papierform, sondern digital an die Mitarbeiter übermittelt werden. Dies geschieht häufig durch die jeweiligen Mitarbeiterpostfächer, die hierfür angelegt werden. Die Frage, was passiert, wenn ein Mitarbeiter der Übermittlung der Lohnabrechnungen über das Mitarbeiterpostfach widerspricht, hat bereits zwei Gerichte beschäftigt und liegt nun zur Entscheidung beim Bundesarbeitsgericht.
Der Fall:
Die Klägerin ist als Verkäuferin bei einem Lebensmitteleinzelhändler tätig. Sie hatte ihre letzte Gehaltsabrechnung in Papierform für Februar 2022 erhalten. Die weiteren Abrechnungen hat der beklagte Arbeitgeber digital erteilt. Außerdem hat er die Abrechnungen in einem Mitarbeiterpostfach abgespeichert, das er für die Klägerin und für alle anderen Mitarbeiter in einer Cloud eingerichtet hat. Grundlage für dieses Vorgehens war eine Konzernbetriebsvereinbarung (KBV) vom April 2021 über die Einführung und Anwendung eines digitalen Mitarbeiterpostfachs. Die Klägerin widersprach der Erteilung von Abrechnungen über das digitale Mitarbeiterpostfach und forderte den Beklagten zur Erteilung schriftlicher Abrechnungen auf.
Das Arbeitsgericht Braunschweig hat die Klage auf Erteilung von Abrechnungen in Papierform für die Zeit nach Februar 2022 abgewiesen.
Die Entscheidung:
Das LAG hat der Klage stattgegeben. Die Klägerin habe der Erteilung der Abrechnungen über das digitale Postfach widersprochen. Hierüber habe sich der Beklagte nicht hinwegsetzen dürfen. Die Konzernbetriebsvereinbarung sei keine Rechtsgrundlage für das streitige Vorgehen gewesen. Grundsätzlich könne eine Lohnabrechnung auch in Textform nach § 126b BGB erteilt werden. Allerdings geht einem Mitarbeiter diese in Textform erteilte Lohnabrechnung nur dann in einem digitalen Mitarbeiterpostfach zu, wenn der Mitarbeiter hierzu sein Einverständnis erklärt hat. Widerspricht der Mitarbeiter der Übermittlung der Lohnabrechnungen auf digitalem Weg, muss er mit dieser Art der Übermittlung auch nicht rechnen. Die fehlende Einwilligung kann nicht durch eine Betriebsvereinbarung ersetzt werden.
Das LAG Niedersachsen hat die Revision zugelassen; der Fall liegt mittlerweile zur Entscheidung beim Bundesarbeitsgericht (Az. 1 AZR 48/24).
Praxistipp:
Als Arbeitgeber können Sie Lohnabrechnungen auch in Textform nach § 126 b BGB übermitteln und müssen diese nicht mehr in Papierform erteilen. Vorsicht ist jedoch geboten, wenn Sie hierfür ein digitales Mitarbeiterpostfach verwenden. Stimmt der Mitarbeiter der Übermittlung der digitalen Lohnabrechnungen über das Mitarbeiterpostfach nicht zu, wird der Anspruch auf Erteilung der Lohnabrechnung nach § 108 GewO nicht erfüllt.