Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.01.2023, Az. 6 StR 133/22
Hintergrund:
Der BGH hat mit seiner Entscheidung, die Freisprüche der vier früheren VW-Manager wegen des Vorwurfs der Untreue aufzuheben, ein Urteil mit erheblicher praktischer Relevanz geschaffen. Hierdurch hat der BGH die Risiken für vorsätzliches Handeln enorm verschärft. In der Folge kam es sogar zu einer Änderung der §§ 37 Abs. 4 und 78 BetrVG.
Sachverhalt:
Die Staatsanwaltschaft legte den Angeklagten zur Last, als Vorstand bzw. Personalleiter den Betriebsratsmitgliedern unzulässig hohe Betriebsratsvergütungen gewährt zu haben. Die Angeklagten waren für die Bemessung der Betriebsratsvergütung zuständig. Bei dem Unternehmen bestand seit 1991 eine Kommission „Betriebsratsvergütung“. Diese befasste sich mit der Vergütung von freigestellten Betriebsratsmitgliedern. Dieser Kommission gehörten die Angeklagten als Vertreter des Arbeitgebers an. Die jeweiligen Kommissionsentscheidungen wurden durch die Angeklagten in Schreiben an die Betriebsräte umgesetzt. Hierbei bewilligten sie höhere Monatsentgelte oder „freiwillige Bonuszahlungen“. Auf diese Weise wurden in den Jahren 2011 bis 2016 Zahlungen veranlasst, welche die Zahlungen an betriebsverfassungsrechtliche Vergleichsgruppen erheblich überstiegen. Es entstand ein Schaden in Höhe von mehr als 4,5 Millionen Euro.
Das LG Braunschweig hatte entschieden, dass die Angeklagten aufgrund der zu hohen Vergütung von Betriebsräten zwar den objektiven Tatbestand der Untreue verwirklicht haben. Allerdings hätten die Angeklagten ohne Vorsatz gehandelt. Die Angeklagten seien einem Tatbestandsirrtum unterlegen, denn sie hätten durchaus Risiken gesehen. Aufgrund dessen habe es die Kommission gegeben und die Angeklagten hätten sich umfassend rechtlich beraten lassen. Die rechtliche Beratung sei dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass die Vergütungssprünge gerechtfertigt seien. Gegen dieses Urteil wurde Revision seitens der Staatsanwaltschaft eingelegt.
Entscheidung:
Im Revisionsverfahren hat der BGH das Urteil des LG Braunschweig aufgehoben. Laut dem BGH läge bei einem Handeln in der rechtlichen Grauzone eher ein Verbotsirrtum nahe. Dieser sei zudem wohl vermeidbar gewesen. Wird diskutiert, ob Vergütungserhöhungen für Betriebsräte in vergleichbaren Konstellationen rechtmäßig seien, dürften sich Manager nicht auf Rechtsgutachten verlassen, die „Flankenschutz“ gewähren.
Der BGH folgt bei der arbeitsrechtlichen Bewertung im Grundsatz dem Bundesarbeitsgericht. Demnach kann für die Rechtfertigung der höheren Vergütung nicht die Argumentation herangezogen werden, dass diese für ein Verhandeln der Betriebsräte auf Augenhöhe mit den Managern und Vorständen erforderlich ist.
Aktuelle Ergänzung:
Auf dieses Urteil hat nun auch der Gesetzgeber reagiert und ein Gesetz zur Vergütung von Betriebsräten verabschiedet. Hintergrund dieses Gesetzes war, dass Unternehmen aufgrund des oben ausgeführten Urteils die Vergütungen ihrer Betriebsräte gekürzt haben und in der Folge eine Vielzahl von Betriebsräten vor den Arbeitsgerichten geklagt haben. Das Gesetz bringt keine neue Rechtslage mit sich, sondern sorgt für Klarstellung, nämlich:
Die Vergütung von Betriebsräten hat wie die von vergleichbaren Mitarbeitenden zu erfolgen. Dabei ist der entscheidende Zeitpunkt für die Vergleichbarkeit die Aufnahme der Betriebsratstätigkeit. Zudem wurde geregelt, dass auch die hypothetische Karriere der Betriebsräte bei der Vergütung Berücksichtigung finden muss. Diese Änderungen finden sich in den §§ 37 Abs. 4, 78 BetrVG.