Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 31. Mai 2023 – 5 AZR 143/19
Leiharbeitnehmer dürfen bei der Bezahlung tariflich schlechter gestellt werden als die Stammbelegschaft im Entleihbetrieb
Sachverhalt
Geklagt hatte eine Leiharbeitnehmerin aus Bayern. Als Kommissioniererin im Auslieferungslager erhielt sie Anfang 2017 beim Entleihbetrieb, einem Einzelhändler, EUR 9,23 brutto pro Stunde. Diese Vergütung entsprach dem Tarifvertrag, der zwischen dem Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ) und den Gewerkschaften des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) geschlossen wurde.
Die Klägerin fühlte sich benachteiligt, da Stammbeschäftigte für dieselbe Tätigkeit nach dem Tarifvertrag des Einzelhandels EUR 13,64 brutto pro Stunde erhielten. Dies stelle einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz der EU-Leiharbeitsrichtlinie dar.
Entscheidung
Das BAG hat entschieden, dass ein solcher Verstoß nicht vorliege, da die Richtlinie die Möglichkeit vorsehe, per Tarifvertrag vom Equal-Pay-Grundsatz abzuweichen, wenn der „Gesamtschutz“ der Leiharbeitnehmer gewährleistet wird. Das BAG hatte im Dezember 2020 zunächst den Europäischen Gerichtshof (EuGH) um eine Auslegung der Richtlinie ersucht. Daraufhin entschieden die Richter des EuGH, dass eine schlechtere Bezahlung gerechtfertigt sei, wenn die Ungleichbehandlung im Tarifvertrag zum Beispiel durch Freizeit ausgeglichen wird. Die Klage wurde – wie auch von den Vorinstanzen – vom BAG mit der Begründung abgewiesen, dass die Klägerin einen Ausgleich für die niedrigere Bezahlung erhalte, weil sie auch für Zeiten, in denen sie nicht in einem Entleihbetrieb tätig sei, ihren Lohn vom Leiharbeitsunternehmen erhalte. Eine tarifliche Festschreibung müsse nicht erfolgen, da die Vergütung einsatzfreier Zeiten in Deutschland staatlich geregelt sei.
Fazit
Somit bleiben die Tarifverträge für die Zeitarbeit auch zukünftig Rechtsgrundlage für ungleiche Behandlung. Es darf zulässigerweise vom Gleichstellungsgrundsatz abgewichen werden. Die Tarifverträge für die Zeitarbeit genügen somit den Anforderungen des EuGH, sodass sich Arbeitgeber zufrieden zeigen können. In einer schwierigeren Lage befinden sich jedoch die Gewerkschaften, auf die nun die Frage zukommen wird, weshalb sie überhaupt Tarifverträge abschließen, die eine schlechtere Bezahlung ermöglichen. Die Antwort hierauf bleibt abzuwarten.